26.-27.10.10: Kurz vor 22 Uhr setzte sich der Zug schließlich in Bewegung. Um ehrlich zu sein, habe ich Schlimmeres von chinesischen Zügen erwartet. Die Gänge waren geräumiger als die russischen und mongolischen Züge und die Schlafgelegenheiten ungefähr äquivalent. Ich habe mir die Kabine mit drei Chinesen und einem europäischen Paar (Enrique aus Spanien sowie Bryony aus UK) geteilt. Zudem hatte ich das Glück einen englischsprachigen Chinesen namens 褚晓伟 kennenzulernen. Da einige chinesische Namen für Nicht-Chinesen schwierig auszusprechen sind, geben sich einige selbst einen englischen Namen. Sein gewählter Name war William – nach dem englischen Prinzen. Wir unterhielten uns über seine Arbeit in einer chinesischen Satellitenfirma, Arbeitsdruck und Zukunftspläne. Er gab mir viele Tipps für Xi’an und erwies sich später noch als besonders hilfsbereit.
Bis spät in die Nacht habe ich mich anschließend mit Enrique über alles mögliche unterhalten und konnte so, da die Abteile ohne Türen waren, das „Nachtleben“ auf dem Gang beobachten. Alle paar Minuten schlichen chinesische Sicherheitskräfte den Gang entlang und kontrollierten die Abteile. Ein Sicherheitsbeamter war besonders aufmerksam. Er kam in unser Abteil, kramte die Schuhe unter den Betten hervor und stellte sie fein säuberlich nebeneinander…Nach einer angenehmen Nachtruhe erreichte der Zug am nächsten Tag kurz nach 9 Uhr Xi’an. Zwei Tage zuvor hatte ich einen Schlafplatz in einem Hostel gebucht, mit kostenlosem Shuttle-Service vom Bahnhof zum Hostel. Warum ein Hostel und nicht ein neuer Couchsurfing-Host wie bisher? Gerne wollte ich die ganzen Pekinger Erlebenisse in Ruhe für mich verdauen und ein wenig ruhige Zeit mit meinem vernachlässigten Tagebuch verbringen. Dafür wäre doch die Anonymität eines Hostels geradezu ideal – weit gefehlt wie sich später herausstellte…
Zunächst suchte ich am Bahnhof aber erstmal nach meinem Namen für den Shuttle-Service – vergeblich – es waren einfach viel zu viele Leute und Schilder. Ich hatte zwar die Adresse des Hostels, doch war es auch mit Hilfe von William absolut unmöglich ein Taxi zu bekommen. Freundlicherweise suchte er mit mir den richtigen Bus, bestand darauf mein Ticket zu bezahlen, fuhr mit mir zur richtigen Haltestelle und begleitete mich schließlich bis vor die Tür des Hostels. Ich fragte ihn, ob er nicht arbeiten müsse. Er meinte, es wäre kein Problem, er könne die Zeit (über eine Stunde hat er mich begleitet) nacharbeiten. Die Hilfsbereitschaft einiger Chinesen ist immer wieder beeindruckend.