08.11.2010
Frühmorgens stärkten wir uns zunächst in einer “German Bakery”. Auf dem Dach bot sich ein “guter” Ausblick auf die Einkaufsstraße.
Zwar war die Aussicht ein wenig von der “sorgfältigen” Verkabelung verdeckt, diese war jedoch keineswegs minder interessant. Heute wollten wir uns als Sehenswürdigkeit den Monkey Temple von Kathmandu anschauen. Um noch etwas von der Umgebung und dem Flair mitzubekommen, haben wir uns zu Fuß auf die Suche begeben.
Kathmandu ist schon ein wenig anders als eine durchschnittliche europäische Stadt. Es ist laut, stressig und überall Gewusel. Einen richtigen Kulturschock habe ich deswegen noch nicht erlebt… noch nicht. Als wir uns durch die Gassen den Weg entlang fragten, entfernten wir uns immer weiter von der Touristenecke und die Leute schauten uns teilweise neugierig an. Wir kamen an einen Fluss und es lief mir eiskalt über den Rücken.
Fällt etwas an diesem Bild auf? Zunächst: Eine wirklich schöne Aussicht über Kathmandu. All die vielen kleinen Häuser vor der schönen Berglandschaft – ein toller Ausblick. Beim zweiten Blick fällt vielleicht der Fluss auf. Was sind wohl all die bunten Sachen in dem Fluss?
Müll jeglicher Art! Im Hintergrund die schönen Berge, der blaue Himmel und die Silhouette der Stadt. Im Vordergrund der zugemüllte, bestialisch stinkende Fluss.
Leute wuschen Kleidung inmitten des Unrats,…
…Schweine machten sich über die artifiziellen Müllinseln her. Der Anblick und der Geruch waren unfassbar widerlich.
Egal wo wir lang gingen, sobald ein Fluss unseren Weg kreuzte, war dieser rücksichtslos zugemüllt und der Geruch trieb einem die Übelkeit ins Gesicht. Wenn ich zurück blicke, kann ich mich nicht erinnern, jemals ein so abscheuliches Stadtbild gesehen zu haben. Warum versauen sich die Menschen ihre eigene Umgebung? Antworten gibt es sicher viele: Falsche Politik, zu schnelles Wachstum, nicht sensibilisiert bzw. keine Bildung diesbezüglich. Doch ist dies tolerierbar? Nein, in meinen Augen nicht. Es gehört zum gesunden Menschenverstand seine Umgebung für die Nachkommen in Schuss zu halten. Wenn die einfachen Leute keine Wahl haben anders zu überleben, muss die Regierung sich was einfallen lassen. Aber so etwas einfach hinzunehmen? Dies ist nicht akzeptabel und hat auch nichts mit einer anderen Kultur zu tun! Es kann ja wohl nicht sein, dass andere Länder mehr als fünf verschiedene Mülltonnen vor der Tür aufweisen, während hier alles hinters Haus gekippt wird. Es wird damit nicht nur frisches Trinkwasser aus den umliegenden Gebirgen ungenießbar gemacht, es werden auch künstliche Seuchenherde mit unabsehbaren Folgen geschaffen.
Nun, …es hat sich mal wieder gelohnt, von den Touristenpfaden abzuweichen, um die Realität zu sehen – mit all ihren schönen aber auch erschreckenden Seiten. Nach diesem Einblick gehen wir nun doch besser zu den schönen Seiten von Kathmandu über.
So haben wir zwischendurch immer mal wieder kleinere Tempel entdeckt, bis wir nach ca. einer Stunde…
…am Fuße des Monkey Temple, auch Swayambhunath genannt, ankamen. Auf den mittleren 100 Treppenstufen priesen ca. zwei Dutzend Händler allerlei Kitsch und “selbstgemachte” Sachen an. Stichprobenartige Test-Feilschereien ergaben Preisnachlässe von ca. 70-80% – für die Waren aber immer noch zu teuer.
Einige hundert Treppenstufen später bot sich ein atemberaubender Blick über das Kathmandu-Tal.
Und schon waren auch die Trivialnamensgeber des Monkey Temple sichtbar. Hier hausten hunderte dieser possierlichen Tierchen, welche sich nicht von ihren nahen Verwandten stören ließen und munter über die Tempelanlage huschten.
Dass der Monkey Temple zu einer der zwei ältesten buddhistischen Tempelanlagen der Welt zählt, mag man beim Anblick gar nicht denken. Alles war wirklich hervorragend in Schuss – offensichtlich werden die Eintrittsgelder (vierfacher Preis für Ausländer) gut investiert. Rund um den Tempel waren wieder dutzende Händler vertreten – in kleinen Häuschen und davor. Hier gab es jedoch eine deutlich bessere Feilschquote, so dass ich sporadisch ein paar Andenken mitnahm. In einem Shop stellte sich das Handeln jedoch schwierig dar. Die Shop-Frau hatte einen Fixpreis für eine Figur und wollte partout nicht runter gehen. Dankend lehnte ich ab und schaute mir noch die anderen Produkte des Geschäfts an. Mir fielen die Klangschalen auf, welche an jeder Ecke von Kathmandu angeboten werden und ganz besonders intensiv hier am Monkey Temple.
Schwuppdiwupp hatte ich Kesh an meiner Seite. Bei Kesh handelte es sich um den überaus freundlichen, fröhlich-verschmitzt grinsenden Ehemann der Shop-Frau. Er erzählte mir, wie er viele Jahre unter Leitung des berühmten Gurus [Name vergessen…] das perfekte Spiel der Klangschale erlernte und nun selbst ein Guru darin sei. Wow… Ein Klangschalen-Guru… Das muss einfach interessant werden. Ich ließ mich auf das Gespräch ein. Immerhin stand hier ein leibhaftiger Guru vor mir – wie damals bei Zak McKracken. 😉 In den folgenden 1,5 Stunden zeigte er mir die verschiedenen Spielmodi dieses Wunderwerks. Klangschale ist ja nicht gleich Klangschale! Jede Klangschale hat schließlich eine individuelle Seele und es braucht Jahre, bis man sie perfekt spielen kann. Eine richtig gute lässt sich natürlich schneller erlernen, sofern sie zum Charakter des Spielers passt. Und nur, wenn eine Klangschale auch gut gespielt wird, entfaltet sie ihre beruhigende, heilende, stimulierende und erfüllende Wirkung. So erzählte mir Kesh, wie eine Klangschale perfekt in das Liebesspiel eingebaut werden kann und eine enorme Bereicherung für die Partnerschaft darstellt. Seine Frau, die während der ganzen Zeit neben uns stand, war ganz begeistert und nickte dazu bejahend. Na gut, im letzten Reisebericht hatte ich ja geschrieben wie wichtig Bildung ist und warum auch nicht im Bereich “Tiefenentspannung mit Klangschalen-Kamasutra”. So ließ ich mich in die geheimen Tricks von Guru Kesh einweihen und wurde sein Klangschalen-Novize. Mir wurde das Spielen der Klangschale im Stehen, Sitzen, Liegen, mit Wasser in der Schale und/oder mythischen “Oooohhhhms” und vieles mehr gezeigt. Als Fazit kann ich sagen, dass ich von diesen wundersamen Musikschalen überaus positiv überrascht war. Zudem hatte mein Klangschalen-Guru ein wirklich hervorragendes Talent all die positiven Aspekte hoch-überzeugend aufzuzeigen. Die Schwingungen gingen tatsächlich durch Mark und Bein.
Kesh hatte seine Ladenöffnungszeit bereits eine Stunde überzogen und wollte gar nicht mehr aufhören mich zu lehren. Seine Frau deutete aber darauf hin, dass sie den Laden langsam wirklich schließen müssten. OK, er dankte mir für meine Zeit und wünschte mir für meinen Lebensweg alles Gute. … Wie? Das war’s? Er will mir keine Klangschale verkaufen??? Er kann mich doch jetzt nicht einfach so ohne Klangschale von dannen ziehen lassen… Wie soll ich all die erlernten Techniken ausprobieren können, ob es auch wirklich eine Bereicherung für verschiedene Lebensbereiche darstellt? Insgeheim hatte ich mir auch schon eine Klangschale mit dem für mich schönsten Klangbereich ausgeguckt. Ich fragte ihn nach dem Preis. Statt mir darauf zu antworten, versicherte er mir, dass er bei der Vorführung nicht die Intention hatte mir etwas verkaufen zu wollen und ich sollte nicht denken jetzt eine Schale kaufen zu müssen. Es hätte ihm Spaß gemacht mir ein paar Anwendungsbereiche der Klangschale zu zeigen. …ich war sprachlos… Seine Frau packte die Sachen zusammen und er half ihr. … War das jetzt eine Verkaufstaktik oder nicht? Wir waren hier schließlich im touristischsten aller touristischsten Eckchen von Nepal. Ehrliche Händler ohne Hintergedanken – unvorstellbar. Ich versuchte nochmal den Preis meiner Wunsch-Schale herauszubekommen. Er musterte mich und fragte, ob ich den wirklich diese Schale zu schätzen wisse. Nach einigen Sekunden intensiver Musterung bejahte er dies für sich selbst und nannte mir den Betrag. Auch hier wieder die Überraschung, dass der Preis – in Bezug zu meine vorherigen Handelserfahrungen – durchaus angemessen war. Natürlich musste ich prüfen, ob es auch wirklich schon der niedrigste Preis war und ging noch einmal 20% runter. Zunächst schmunzelte er und lächelte schließlich aus vollem Herzen. Er hatte bereits innerlich gefühlt, dass mir genau diese Klangschale am Besten gefiel und er spüre, dass diese mein Leben bereichern wird. Nur aus diesem Grunde würde er mir die Schale zu einem niedrigeren Preis verkaufen, denn normalerweise gäbe er keine Rabatte. Zudem packte er mir noch vier weitere, unterschiedliche Filzklöppel hinzu – für jede Situation den richtigen Klöppel meinte er… Wirklich beeindruckt von den letzten 1,5 Stunden und mit meiner neuen kiloschweren Errungenschaft verließ ich das Geschäft. Ob der Preis zu teuer für eine Metallschale war? Nun sagen wir so, ein Kinobesuch mit der Partnerin sowie Popcorn, Nachos und Cola entspricht ungefähr der selben Summe und im Vergleich zu den Preisen in den westlichen Esoterik-Geschäften war es ein Hammer-Schnäppchen. Selbst wenn ich die Schale jetzt wegwerfen würde, so hatte ich immerhin noch eine unvergessliche gute Unterhaltung (deutlich besser als ein Kinobesuch mit 08/15-Effect-Trash) und, wer weiß, vielleicht auch mit Langzeiteffekt. Wegwerfen wollte ich meine Klangschale natürlich keinesfalls, doch musste ich nun in jedem Fall ein Paket von Nepal nach Hause schicken. Mit meinem Rucksack + Schale + die ganzen Souvenirs könnte ich jedenfalls keine hundert Meter mehr laufen…
Erinnerungsfoto: Novize Mathias mit Klangschalen-Guru Kesh. Wer sich jetzt fragt, was eine Klangschale überhaupt ist: Wikipedia verrät die Antwort. Ein wenig musste ich bei der sachlichen Wiki-Erklärung schon schmunzeln. Und selbst wenn alles nur ein Mythos ist – eine unvergessliche Erinnerung bleibt mir die Geschichte definitiv und als Andenken macht sich meine Klangschale alle mal sehr gut. 🙂
Draußen war bereits die Dunkelheit eingebrochen und die Anzahl der Affen hatte sich mal eben verdoppelt. (Der helle Primat mit blauem Fellderivat im Vordergrund gehört biologisch gesehen nicht zur gleichen Familie, wie sie im Hintergrund zu sehen ist…)
Wir genossen noch den Ausblick über Kathmandu bei Nacht und machten uns dann auf den Rückweg.
Zum krönenden Abschluss trafen wir uns abends mit Michael und Ingrid. Hier war die Nacht-Wandertruppe vom Mt. Everest wieder beisammen. Vor ein paar Tagen noch in eisiger Kälte am höchsten Berg der Welt und nun eher zufällig inmitten von Kathmandu. Die Welt ist klein, kein Zweifel.
Weiterführende Links:
- Swayambhunath – Im Sprachgebrauch auch als Monkey Temple bezeichnet, eine der ältesten buddhistischen Tempelanlagen der Welt
- Kathmandu-Tal – Einst ein großer See
- Klangschalen – Ein traditionelles Küchengeschirr und nun in westlicher Esoterik
- Primaten – Eine Ordnung in der Biologie, die auch den Menschen einschließt
Hallo Mathias,
Kanalation ist für diese Gegend noch ein Fremdwort. Werden es hoffentlich früh genug
ändern. Was passieren kann wissen wir in Europa aus Erfahrung. Siehst ein wenig
mager aus. Aber wahrscheinlich konditionsmäßig im Topp-Zustand. Wünsche Dir
weiterhin Toitoitoi…….. bei dieser phantastischen Reise.
Hubert