06.11.2010 – Fortsetzung
Während ich mich so ausruhte, fiel mir plötzlich ein, dass die Stadt Kathmandu gar nichts Neues für mich war. Bereits vor ca. 20 Jahren tauchte die Stadt erstmalig in meinem Gedankengut auf – dank meines damaligen und absolut genialen Lieblings-Adventures “Zak McKracken”! Nur zu gerne erinnere ich mich an dieses vor Witz und amüsanten Rätseln strotzenden Computerspiel zurück. Wird Kathmandu heute, 20 Jahre später, wohl immer noch so aussehen wie damals im Spiel gezeigt?
…mit Stroh am Wegesrand, wiederkäuenden Yaks und erleuchteten Gurus?
Leider nein. Offensichtlich hatte sich Kathmandu in der Zwischenzeit deutlich zur Moderne hingezogen. Dennoch neugierig auf die Stadt begab ich mich in das Getümmel nach draußen. Wie es der Zufall wollte, traf ich dort auf den Holländer Thijs, den ich bereits auf dem Weg zum Mt. Everest Base Camp kennengelernt hatte. Er war mit seinem Gepäck beladen schon seit einer ganzen Weile auf der Suche nach einer freien Unterkunft – jap, das Theater konnte ich nur zu gut nachvollziehen. Ich bot ihm das zweite Bett in meinem Doppelzimmer an, welches er sehr dankend annahm. Zusammen erkundeten wir schließlich die Touristenmeile Thamel…
…und sahen neben den bunt geschmückten Straßen und Ständen haufenweise Leute, insbesondere Touristen. Dies war schon ein deutlicher Unterschied zum eher menschenleeren Tibet vor wenigen Tagen.
Einige Straßenkünstler zauberten beeindruckende Bilder auf den Asphalt. Überaus bemerkenswert an diesem Kunstwerk: Es wurde in tagelanger Arbeit lediglich aus gefärbtem Mehl, Reis, Bohnen und Blütenblättern hergestellt.
Ebenso wurde dieses Kunstwerk mit viel Liebe zum Detail und einfachen “Zutaten” am Rande einer Straße erarbeitet. Freundlicherweise wurden sogar leiterähnliche Gebilde zur Verfügung gestellt, um das Werk optimal fotografieren zu können.
Bei der Stadterkundung entdeckten wir natürlich den obligatorischen deutschen Bäcker, welchen es offensichtlich in jeder asiatischen Großstadt zu geben scheint.
07.11.2010
Der nächste Tag stand im Zeichen des Newar-Neujahrs.
Tagsüber fuhren “getunte” Autos mit lauter Musik und feiernden Jugendlichen durch die Straßen…
Abends war die Stadt hell erleuchtet und es wurden Silvesterraketen in den Himmel gefeuert. Zusammen mit Thijs und Patrick erkundeten wir das Neujahr-feiernde Kathmandu bei Nacht und spazierten neugierig durch die Gassen.
Die Familien waren beisammen und die Wohnungen festlich geschmückt. Plötzlich zog ein durchaus ungewöhnliches Bild unsere Aufmerksamkeit auf sich:
Ein luxuriöses Haus mit “Welcome” über der Eingangstür und einem bekannten Zeichen vor der Tür. Wer jetzt zurück schreckt: Stopp! Bitte diesen Pflichtartikel dazu lesen: Swastika. In meinen Augen ist die allgemeine deutsche Schulbildung bzgl. Geschichte mangelhaft. Ich war auf fünf verschiedenen Schulen und musste mir dennoch die vielen weiteren Bedeutungen dieses geschichtsträchtigen etwa 6000 Jahre alten Zeichens selber aneignen. Zunächst sah ich es in der Mongolei als Tür- und Stuhlverzierung, in Tibet als Schmuck und Dekoration in vielen Klöstern sowie in Nepal besonders als Glücksbringer an LKWs oder als Dekoration im Eingangsbereich nach dem Motto “Tritt ein, bring Glück herein.” In weiten Teilen Asiens hat dieses Zeichen rein gar nichts mit dem zweiten Weltkrieg zu tun.
Ach ja, wenn ich jetzt anfangen würde über das Thema Schule zu referieren… Soll ich, soll ich nicht…? Vielleicht nur ganz kurz, sonst rege ich mich noch zu sehr auf. Wer kennt nicht den Spruch “Die Jugend von heute…” (angeblich von Sokrates aber ohne jeglichen Nachweis). Es lässt sich wohl nicht bezweifeln, dass seit Jahrhunderten die Elterngeneration über die heranwachsende Generation jammert. Ob begründet oder unbegründet, ist Ansichtssache und sei dahin gestellt. Fakt ist nur, und dies ist auch mehrfach erwiesen, dass das deutsche Bildungssystem auf einem absteigenden Ast ist. Fangen wir bei den Universitäten an: Die Mittelkürzungen habe ich in den acht Jahren an der Universität sehr gut mitbekommen. Ich war im Fachschaftsrat, in mehreren Fakultätskommissionen, im Prüfungsausschuss, Fakultätsrat etc. und habe dadurch sowohl die Probleme der Studenten direkt mitbekommen als auch hinter die Kulissen der universitären Selbstverwaltung schauen dürfen. Einerseits hat nicht jeder das Geld und glücklicherweise haben die wenigsten die kriminelle Energie eines Lügenbarons, sich die akademischen Titel auf fragliche Weise zu organisieren. Für die Ehrlichen heißt es Lernen, Schlussfolgern und sich Entwickeln unter immer schwieriger werdenden Bedingungen. Unter der breiten Masse der Studenten findet sich steigende Demotivation. Ärgerlich ist nur, dass aus eben einem Großteil dieser Studenten die Lehrer hervorgehen, welche später einmal die eigenen Kinder lehren sollen. Ist die Gefahr ersichtlich? Nimmt die Qualität der an den Universitäten ausgebildeten Lehrer ab – sei es bildungstechnisch oder pädagogisch – hat dies einen direkten Einfluss auf die nächste Generation. Ein gefährlicher Teufelskreis nimmt seinen Lauf.
Ich will damit sagen, nicht alles auf die Kinder schieben sondern den Kindern auch eine gescheite Ausbildung mit motivierten (!) Lehrkräften ermöglichen. Richtige Lehrer, die den Kleinen Mittel und Wege aufzeigen sowohl in der Arbeitswelt zu bestehen als auch insbesondere über den Tellerrand zu schauen, eigenständig zu denken und Sachen kritisch zu hinterfragen. Wäre letzteres bereits vor ca. 80 Jahren stärker ausgeprägt gewesen, hätte das Zeichen auf obigem Foto wahrscheinlich keinen negativen Beigeschmack.
Aber gerade das _Denken_ wird in der Schule versucht einem Kind abzutrainieren. Kinder, die dem Kontra geben, werden leider oft benachteiligt oder ruhig gestellt. Ich rede Quatsch? So einfach ist das nicht! Glücklicherweise bin ich nicht der Einzige der das mitbekommen hat: Sir Ken Robinson hat einen TED-Talks-Vortrag zu genau diesem Thema gehalten: Wie die Schule Kreativität erstickt (19 Minuten). Nach dem Klick auf den Link können bei dem Video deutsche Untertitel aktiviert (unter dem Video) und es auch als Vollbild dargestellt werden (Symbol oben-rechts vom Video). Es gibt genügend Auswege aus der Lage, doch ist dies mit einem Umdenken verbunden – mit Sicherheit ist die Gesellschaft dazu noch fähig.
Fairerweise muss noch dazu gesagt werden, dass auch die Kinder eine Bringschuld in dem System haben und die Lehrer bitte nicht zur Verzweiflung bringen. Kleinere Klassen, ausreichend sportliche Betätigung und interessierte Eltern würden hierfür sicher ein optimales Umfeld bieten.
Ich könnte wirklich stundenlang weiter darüber diskutieren, doch handelt es sich hierbei um einen Reiseblog. 😉 Sehr gerne möchte ich zu diesem Thema noch auf meinen Lieblingsfilm hinweisen – Idiocracy – welcher die zukünftige Gesellschaft in 500 Jahren persifliert und eine wirklich tolle Seite mit ein paar hervorragenden, zum Nachdenken anregenden Zitaten zum Thema Erziehung, Schule etc.: Zitate-Sammlung.
Weiterführende Links:
- Zak McKracken – Eins meiner Lieblings-Adventures vor ca. 20 Jahren…
- Thamel – Touristischer Stadtteil von Kathmandu
- Newar – Großteil der in Kathmandu lebenden Nepalesen
- Swastika – Pflichtlektüre, um die Welt auch außerhalb westlicher Länder zu verstehen
- TED Talks – Konferenz für Ideen mit Verbreitungswert
- Wie die Schule Kreativität erstickt – Pflichtvideo für den umsichtigen Menschen, 19min
- Idiocracy – Was passiert, wenn sich in der Art der Bildung nichts ändert? (Persiflage)
- Persiflage – Etwas lächerlich machen; Verspottung
- Zitate-Sammlung – Wertvolle Zitate zu Schule, Erziehung etc.
Das erste, was meine Kinder später im entsprechenden Alter lernen, ist, dass man Pflanzen nicht mit Gatorade gießt…
Da kennt sich jemand aus. 😉 Dann weißt du aber auch, dass du damit der allgemein anerkannten Tatsache widersprichst: „In Brawndo steckt was Pflanzen schmeckt.“ „Warum?“ „Es enthält Elektrolyte!“
Nur weil ich Schokolade mag und Schokolade Milch enthält, mag ich noch lange keine Milch. 😛
…und ich wollte doch Jura bei Tesco studieren…